11.12.2001

Vermittlungsausschuss legt Einigungsvorschlag zum verwaltungsprozessualen Rechtsmittelrecht vor

Zum Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess hat der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am Abend eine Einigung erzielt. Die Beschlussempfehlung greift eine Reihe von Punkten auf, mit denen der Bundesrat in seiner Sitzung am 30. November die Anrufung des Vermittlungsausschusses begründet hatte.

Der Einigungsvorschlag sieht vor, den derzeit geltenden Anwaltszwang (insbesondere Einlegung der Revision und der Beschwerde gegen deren Nichtzulassung sowie Antrag auf Zulassung der Berufung) zukünftig auch auf Beschwerden und sonstige Nebenverfahren zu erstrecken, bei denen in der Hauptsache Vertretungszwang besteht. Ausdrücklich ausgenommen sind hierbei Beschwerden gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe. Der Bundesrat hatte dazu in der Anrufungsbegründung ausgeführt, die bisherigen Ausnahmen vom Vertretungszwang auch in teils komplizierten Nebenverfahren erschienen wenig vereinbar mit dem gesetzgeberischen Ziel, durch anwaltliche Vertretung einen zügi­gen und konzentrierten Verfahrensablauf vor dem Oberverwaltungsgericht sicherzustellen. Dies gelte umso mehr, wenn die beteiligte Partei in der Hauptsache anwaltlich vertreten sein müsse, in einzelnen Nebenverfahren dagegen nicht. Im Bereich der Prozesskostenhilfe sprächen allerdings verfassungsrechtliche und verfahrensökonomische Gründe dafür, von einem Vertretungszwang abzusehen.

Der im Gesetzesbeschluss des Bundestages neu vorgesehene Berufungszulassungsgrund der Fortbildung des Rechts beziehungsweise Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung soll nach Ansicht des Vermittlungsausschusses entfallen. Hierzu hatte der Bundesrat im Rahmen der Anrufung auf drohende neue Zweifelsfragen und Auslegungsschwierigkeiten hingewiesen.

Im Rahmen der Berufungszulassung entscheidet auf Antrag das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Nach dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Wortlaut ist die Berufung zuzulassen, wenn einer von mehreren im einzelnen aufgeführten Gründen vorliegt. Der Vermittlungsausschuss empfiehlt - dem Bundesrat folgend - eine Ergänzung und Klarstellung dahingehend, dass der Berufungszulassungsgrund auch dargelegt sein muss. Auf das Darlegungserfordernis wollte der Bundesrat nicht verzichten, weil anderenfalls das Rechtsmittelzulassungsrecht selbst in Frage gestellt würde, wenn es künftig wieder möglich wäre, im Wesentlichen unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und der Behauptung eines beliebigen Zulassungsgrundes das Rechtsmittelzulassungsverfahren er­folgreich zu durchlaufen.

Der Vermittlungsausschuss folgte darüber hinaus in einem weiteren Punkt dem Begehren des Bundesrates: Dieser hatte gefordert, dass Behörden künftig hinsichtlich der Erstattung ihrer tatsächlich notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienst­leistun­gen die für Rechtsanwälte geltenden Pauschalsätze in Anspruch nehmen können statt arbeitsaufwändige Aufzeichnungen und Berechnungen durchführen zu müssen. Im Hinblick auf die Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern setzte sich der Bundesrat mit seiner Forderung durch, in Verfahren dieser Art von der Gerichtskostenfreistel­lung abzusehen. Auch die Anknüpfung der Vorschriften über die Prozessvertretung an den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit oder den Beginn der Klagefrist, bei Rechtsmitteln an den Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung, geht auf ein Begehren des Bundesrates zurück.

Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses sieht im Übrigen nähere Bestimmungen zur Begründung und zum Verfahren bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im vorläufigen Rechtsschutz vor.

Wie nach dem bisherigen Gesetzesbeschluss soll das Gesetz zum 1. Januar 2002 in Kraft treten. Die Neuregelung bezüglich der Vorlagepflicht des Oberverwaltungsgerichts an das Bundesverwaltungsgericht bei Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung soll am 31. Dezember 2004 außer Kraft treten.

Den Text der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses finden Sie hier:

Deutscher Bundestag

Drucksache 14/7779

14. Wahlperiode

11.12.01

Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) - Drucksachen 14/6393, 14/6854, 14/7474, 14/7744 -

Berichterstatter im Bundestag: Abgeordneter Ludwig Stiegler

Berichterstatterin im Bundesrat: Ministerin Karin Schubert

Der Bundestag wolle beschließen:

Das vom Deutschen Bundestag in seiner 201. Sitzung am 15. November 2001 beschlossene Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) wird nach Maßgabe der in der Anlage zusammengefassten Beschlüsse geändert.

Gemäß § 10 Absatz 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuss beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.

Berlin, den 11. Dezember 2001

Der Vermittlungsausschuss

Vorsitzender Sigmar Gabriel

Berichterstatter Ludwig Stiegler

Berichterstatterin Karin Schubert

Anlage

Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG)

1. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b (§ 67 Absatz 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung)

In Artikel 1 Nummer 6 wird Buchstabe b wie folgt gefasst:

'b)   In Satz 2 werden die Wörter "für den Antrag auf Zulassung der Beschwerde" durch die Wörter "für Beschwerden und sonstige Nebenverfahren, bei denen in der Hauptsache Vertretungszwang besteht, mit Ausnahme der Beschwerden gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe" ersetzt.'

2. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe b (§ 124 Absatz 2 Nummer 4 Verwaltungsgerichtsordnung)

In Artikel 1 Nummer 8 wird Buchstabe b gestrichen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 124a Absatz 5 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung)

In Artikel 1 Nummer 9 § 124a Absatz 5 wird Satz 2 wie folgt gefasst:

"Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Absatz 2 dargelegt ist und vorliegt."

4. Zu Artikel 1 Nummer 14 (§ 146 Verwaltungsgerichtsordnung)

In Artikel 1 wird Nummer 14 wie folgt geändert:

a) Buchstabe b wird wie folgt gefasst:

'b) Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

"(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Absatz 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe." '

b) Nach Buchstabe b wird folgender Buchstabe c eingefügt:

"c) Die Absätze 5 und 6 werden gestrichen."

5. Zu Artikel 1 Nummer 15c - neu - (§ 162 Absatz 2 Satz 3 - neu - Verwaltungsgerichtsordnung)

In Artikel 1 wird nach Nummer 15b folgende Nummer 15c eingefügt:

'15c. In § 162 wird Absatz 2 folgender Satz angefügt:

"Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in § 26 Satz 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte bestimmten Pauschsatz fordern." '

6. Zu Artikel 1 Nummer 18a0 - neu - (§ 188 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung)

In Artikel 1 wird nach Nummer 18 folgende Nummer 18a0 eingefügt:

'18a0.     In § 188 Satz 2 wird der abschließende Punkt durch ein Semikolon ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:

"dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern." '

7. Zu Artikel 1 Nummer 19 (§ 194 Absatz 4, 5 - neu - Verwaltungsgerichtsordnung)

In Artikel 1 Nr. 19 werden § 194 folgende Absätze 4 und 5 angefügt:

"(4) In Verfahren, die vor dem 1. Januar 2002 anhängig geworden sind oder für die die Klagefrist vor diesem Tage begonnen hat, sowie in Verfahren über Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen, die vor dem 1. Januar 2002 bekannt gegeben oder verkündet oder von Amts wegen an Stelle einer Verkündung zugestellt worden sind, gelten für die Prozessvertretung der Beteiligten die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften.

(5) § 40 Absatz 2 Satz 1, § 154 Absatz 3, § 162 Absatz 2 Satz 3 und § 188 Satz 2 sind für die ab dem 1. Januar 2002 bei Gericht anhängig werdenden Verfahren in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden."

8. Zu Artikel 6 (Weitere Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung)

Artikel 6 wird wie folgt gefasst:

"Artikel 6

Weitere Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung

§ 124b der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (Bundesgesetzblatt I S. 686), die zuletzt durch Artikel 1 dieses Gesetzes geändert worden ist, wird aufgehoben."

9. Zu Artikel 7 (Inkrafttreten)

Artikel 7 wird wie folgt gefasst:

"Artikel 7

Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am 1. Januar 2002 in Kraft.

(2) Artikel 6 tritt am 1. Januar 2005 in Kraft."

9.252 Zeichen

Glossary

Hinweis zum Datenschutz

Sie können hier entscheiden, ob Sie neben technisch notwendigen Cookies erlauben, dass wir statistische Informationen vollständig anonymisiert mit der Webanalyse-Software Matomo erfassen und analysieren. Statistische Informationen erleichtern uns die Bereitstellung und Optimierung unseres Webauftritts.

Die statistischen Cookies sind standardmäßig deaktiviert. Wenn Sie mit der Erfassung und Analyse statistischer Informationen einverstanden sind, aktivieren Sie bitte das Häkchen in der Checkbox „Statistik“ und klicken oder tippen Sie auf den Button „Auswahl bestätigen“. Anschließend wird in Ihrem Browser ein eindeutiger Webanalyse-Cookie abgelegt.

Weitere Informationen zum Thema Datenschutz erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.