Arbeitsweise Anrufung des Vermittlungsausschusses und Verfahren

Foto: Person hebt die Hand für Abstimmung

© Bundesrat | Henning Schacht

Der Vermittlungsausschuss kann sich nicht eigenmächtig mit einem Gesetzesvorhaben befassen. Er hat kein Selbstbefassungsrecht. Er kann erst dann tätig werden, wenn er vom Bundesrat, vom Bundestag oder von der Bundesregierung zu einem bestimmten Gesetzesvorhaben angerufen wird.

Anrufungsberechtigung

Bei Zustimmungsgesetzen können Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen. Bei Einspruchsgesetzen ist nur der Bundesrat zur Anrufung berechtigt. Der Bundesrat kann den Vermittlungsausschuss folglich zu jedem Gesetzesbeschluss des Bundestages einschalten, wenn er mit der vom Bundestag beschlossenen Fassung des Gesetzes nicht einverstanden ist. Möchte der Bundesrat gegen ein Gesetz Einspruch einlegen, ist die vorherige Anrufung des Vermittlungsausschusses sogar obligatorisch (Artikel 77 Absatz 3 Satz 1 GG).

Bundesregierung und Bundestag haben diese Möglichkeit folglich nur dann, wenn der Bundesrat einem Zustimmungsgesetz seine Zustimmung verweigert. In der Verfassung ist im Einzelnen festgelegt, welche Gesetze der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates bedürfen. In diesen Fällen stellt die Anrufung des Vermittlungsausschusses für Bundesregierung und Bundestag die einzige Möglichkeit dar, das von ihnen auf den Weg gebrachte Gesetzesvorhaben noch zu retten. Denn findet ein Zustimmungsgesetz am Ende nicht die Zustimmung des Bundesrates, ist es endgültig gescheitert. Bei Zustimmungsgesetzen kann es daher bis zu drei Vermittlungsverfahren in einem Gesetzgebungsverfahren geben, da drei Verfassungsorgane anrufungsberechtigt sind. Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung sind jeweils einmal pro Gesetzgebungsverfahren befugt, den Vermittlungsausschuss einzuschalten.

Alle übrigen Gesetze sind sogenannte Einspruchsgesetze. In den Fällen eines Einspruchsgesetzes bedarf es keiner Anrufungsmöglichkeit für Bundesregierung und Bundestag, da diese Gesetze trotz der Missbilligung durch den Bundesrat zustande kommen, sofern der Bundestag einen Einspruch des Bundesrates gegen ein solches Gesetz mit der erforderlichen Mehrheit zurückweist. Bei Einspruchsgesetzen kann es somit lediglich ein Vermittlungsverfahren im gesamten Gesetzgebungsverfahren geben. Denn in diesen Fällen ist nur der Bundesrat anrufungsberechtigt.

Anrufungsfristen

Die Einberufung des Ausschusses durch den Bundesrat muss binnen drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses erfolgen. Die Anrufung durch Bundestag und Bundesregierung ist an keine Frist gebunden. Allerdings sollen Bundestag und Bundesregierung in angemessener Frist über ein Einberufungsverlangen entscheiden.

Anrufungsgründe

Mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses kann zunächst eine Änderung oder Ergänzung des Gesetzes verlangt werden. Die Anrufung kann dabei auf einzelne Vorschriften des Gesetzes begrenzt werden. Die übrigen Regelungen des Gesetzes muss der Ausschuss dann als endgültig hinnehmen.

Foto: Beschlussdrucksache

Anrufung des Vermittlungsausschusses

© Bundesrat

Zulässig ist aber auch ein Antrag auf grundlegende Überarbeitung des Gesetzes. Der Bundesrat kann seine ablehnende Haltung gegenüber einem Gesetzesbeschluss auch durch einen Antrag auf Aufhebung zum Ausdruck bringen.

Dem Bundestag ist dies nicht möglich: Ihm ist das Recht zur Anrufung des Ausschusses nur zu dem Zweck eingeräumt, das Scheitern des von ihm beschlossenen Gesetzes zu verhindern; ansonsten würde er sich mit seinem eigenen Gesetz in Widerspruch setzen.

Gleiches gilt auch für das Anrufungsbegehren der Bundesregierung. Diese wird nämlich nicht nur in politischer, sondern auch in rechtlicher Hinsicht als "auf der Seite des Bundestages stehend" betrachtet.

Vertraulichkeit der Beratungen

Die Sitzungen des Vermittlungsausschusses, finden im Gebäude des Bundesrates (Saal 1.128) statt und sind nicht öffentlich. Für den Vermittlungsausschuss gilt der Grundsatz der Vertraulichkeit seiner Beratungen. Dieser wird anhand verschiedener Ausprägungen sichtbar.

Foto: Hinweisschild "Nur für Mitglieder des Vermittlungsausschusses"

Nur für Mitglieder des Vermittlungsausschusses

© Bundesrat | Henning Schacht

So ist der Kreis derjenigen, die an einer Sitzung teilnehmen dürfen, begrenzt. Teilnehmen dürfen lediglich die Mitglieder oder, wenn diese verhindert sind, die stellvertretenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses, Mitglieder der Bundesregierung (in der Regel je ein Vertreter pro Ministerium und Kanzleramt), der Geschäftsführer, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle sowie zwei Personen des Stenografischen Dienstes. Anderen Personen kann die Teilnahme nur durch ausdrücklichen Beschluss des Ausschusses gewährt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Ausschuss bislang nur in seltenen Ausnahmefällen Gebrauch gemacht.

Um den Kreis der Mitglieder als solches für die Dauer einer Wahlperiode möglichst klein und damit "vertraulich" zu halten, darf jeder Sitz im Vermittlungsausschuss innerhalb einer Wahlperiode nur viermal im Wege der Abberufung ausgewechselt werden.

Die Vertraulichkeit der Beratungen erstreckt sich auch auf die Sitzungsprotokolle des Vermittlungsausschusses. Regelmäßig zu Beginn einer neuen Wahlperiode beschließt der Vermittlungsausschuss die Freigabe der Sitzungsprotokolle aus der jeweils vorletzten Wahlperiode für die Öffentlichkeit.

Sitzungsrhythmus

Der Vermittlungsausschuss hat keinen im Vorhinein festgelegten Sitzungskalender. Er tritt erst dann auf Einladung des Vorsitzenden zusammen, wenn ein oder mehrere Gesetzesbeschlüsse des Bundestages in den Vermittlungsausschuss überwiesen wurden. Das setzt dessen Anrufung zu einem Gesetz durch den Bundesrat, den Bundestag oder die Bundesregierung voraus.

Beschlussfähigkeit / Beschlussfassung

Der Vermittlungsausschuss fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Danach ist ein Beschluss gefasst, wenn bei einer Abstimmung die Zahl der "Ja"-Stimmen die Zahl der "Nein"-Stimmen überwiegt. Enthaltungen bleiben unberücksichtigt und wirken sich daher auf das Abstimmungsergebnis nicht aus. Bei gleicher Anzahl von "Ja"- und "Nein"-Stimmen ist ein zur Abstimmung gestellter Antrag abgelehnt.

Foto: Mitglieder des Vermittlungsausschusses im Sitzungssaal

Sitzung des Vermittlungsausschusses

© Bundesrat | Frank Bräuer

Um einen wirksamen Beschluss zu fassen, muss ein bestimmtes Quorum von anwesenden Mitgliedern erfüllt sein. Geht es um die Abstimmung eines Antrags zum Verfahren (wie z.B. die Vertagung der Beratungen zu einem Gesetz), ist der Vermittlungsausschuss beschlussfähig, wenn mindestens zwölf Mitglieder anwesend sind. Dabei ist unerheblich, welcher Seite (Bundestag oder Bundesrat) diese zwölf Mitglieder angehören.

Geht es jedoch darum, über einen inhaltlichen Antrag (einen Einigungsvorschlag zu einem Gesetz) abzustimmen, ist der Ausschuss nur dann beschlussfähig, wenn mindestens je sieben Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates anwesend sind.

Abgestimmt wird durch einfaches Handaufheben.

Dauer, Abschluss und Ergebnis des Vermittlungsverfahrens

Die Dauer eines Vermittlungsverfahrens kann unterschiedlich ausfallen. Dem Vermittlungsausschuss ist keine verfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Frist für den Abschluss seiner Beratungen gesetzt. Dennoch sollte er sein Verfahren so einrichten, dass das Gesetzgebungsverfahren zu einem Anrufungsgegenstand innerhalb der Wahlperiode ordnungsgemäß abgeschlossen werden kann.

Beschließt der Vermittlungsausschuss eine Einigungsempfehlung zu einem zwischen Bundestag und Bundesrat umstrittenen Gesetz, kann ein Vermittlungsverfahren bereits im ersten Einigungsversuch beendet werden.

Das Vermittlungsverfahren zu einem Gesetz kann jedoch - ohne dass man sich auf einen Kompromissvorschlag verständigt - frühestens nach drei ergebnislosen Einigungsversuchen abgeschlossen werden. Das setzt allerdings voraus, dass ein Mitglied des Ausschusses frühestens nach dem Scheitern des zweiten Einigungsversuchs beantragt hat, das Vermittlungsverfahren in der darauffolgenden Sitzung abzuschließen.

Erfolgt der Antrag beispielsweise erst nach dem gescheiterten dritten Einigungsversuch, kann das Vermittlungsverfahren frühestens im vierten Einigungsversuch ohne Einigungsvorschlag insgesamt beendet werden. Damit ist der Vermittlungsausschuss nicht grundsätzlich auf eine bestimmte Anzahl von Einigungsversuchen beschränkt.

Einigungsversuch ist im Übrigen nicht gleichbedeutend mit Sitzung oder Sitzungstermin. Befindet sich ein Gesetz im ersten Einigungsversuch und kommt es im ersten Sitzungstermin zur Vertagung der Beratungen zu diesem Gesetz, so wird im nächsten Sitzungstermin der erste Einigungsversuch fortgesetzt. Dies kann dazu führen, dass ein Vermittlungsverfahren zwar nach drei Einigungsversuchen ergebnislos endet, das Gesetz um das es ging, aber in weitaus mehr Sitzungsterminen auf der Tagesordnung des Vermittlungsausschusses stand.

Das Vermittlungsverfahren kann nur in folgender Weise abgeschlossen werden:

  • durch einen Einigungsvorschlag auf Änderung oder Aufhebung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes,
  • durch einen Einigungsvorschlag auf Bestätigung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes,
  • ohne Einigungsvorschlag (allerdings frühestens nach drei erfolglosen Sitzungen, sofern die Voraussetzungen des § 12, Absatz 1 und 2 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses erfüllt sind).

Darüber hinaus kann sich ein Vermittlungsverfahren faktisch erledigen:

  • durch die Rücknahme der Anrufung durch das anrufende Verfassungsorgan, wozu es eines entsprechenden Plenarbeschlusses des Bundesrates oder des Bundestages beziehungsweise eines entsprechenden Kabinettbeschlusses der Bundesregierung bedürfte, infolgedessen das Vermittlungsverfahren gegenstandslos würde, oder
  • im Falle einer nicht abschließenden Beratung durch den Vermittlungsausschuss bis zum Ende einer Wahlperiode des Bundestages mit der Folge, dass das Gesetz der Diskontinuität anheimfiele.

Weiteres Verfahren in Bundestag und Bundesrat

Empfiehlt der Vermittlungsausschuss, das Gesetz zu ändern, so muss dieser Vorschlag zunächst im Bundestag angenommen werden; der geänderte Gesetzesbeschluss wird dann dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet. Lehnt der Bundestag die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses hingegen ab, hat sich der Bundesrat mit dem ursprünglichen (unveränderten) Gesetzesbeschluss des Bundestages nochmals zu befassen.

Foto: Abgeordnete im Bundestag bei der Abstimmung

Beratung im Bundestag

© dpa | Mauricio Gambarini

Schlägt der Vermittlungsausschuss vor, den Gesetzesbeschluss aufzuheben und verfährt der Bundestag entsprechend, ist das Verfahren abgeschlossen und das Gesetz gescheitert.

Empfiehlt der Vermittlungsausschuss, das Gesetz zu bestätigen oder ist das Verfahren ohne Einigung abgeschlossen worden, muss sich nur noch der Bundesrat mit dem Gesetz befassen. Der ursprüngliche Gesetzesbeschluss des Bundestages ist in diesen Fällen nicht geändert worden; für eine erneute Beschlussfassung des Bundestages besteht daher kein Raum mehr.

Nach vorausgegangenem Vermittlungsverfahren muss sich der Bundesrat also entweder

  • mit dem ursprünglichen (unveränderten) Gesetzesbeschluss des Bundestages oder aber
  • mit dem in der Fassung der Beschlussempfehlung geänderten Gesetzesbeschluss des Bundestages

befassen. Welche Handlungsmöglichkeiten dem Bundesrat zur Verfügung stehen, hängt davon ab, ob es sich bei dem in Rede stehenden Gesetz um ein Einspruchsgesetz oder um ein Zustimmungsgesetz handelt:

Einspruchsgesetz

Der Bundesrat kann gegen den Gesetzesbeschluss des Bundestages gemäß Artikel 77 Absatz 3 Satz 1 GG Einspruch einlegen, der jedoch vom Bundestag überstimmt werden kann (Artikel 77 Absatz 4 GG), oder keinen Einspruch einlegen.

Weitere Vermittlungsverfahren, die ein eventuelles Scheitern des Gesetzes noch verhindern könnten, scheiden wegen der alleinigen Anrufungsberechtigung des Bundesrates bei Einspruchsgesetzen aus.

Zustimmungsgesetz

Hat der Bundesrat in dem Gesetzgebungsverfahren bereits den Vermittlungsausschuss angerufen, verbleiben ihm lediglich die Möglichkeiten,

  • dem Gesetz zuzustimmen
    oder
  • dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Hat der Bundesrat in dem Gesetzgebungsverfahren noch nicht - sondern haben Bundesregierung und/oder Bundestag - den Vermittlungsausschuss angerufen, kann er

- zu dem in der Fassung der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses geänderten Gesetzesbeschluss

  • den Vermittlungsausschuss anrufen
    oder
  • diesem zustimmen
    oder
  • diesem nicht zustimmen.

- dem ursprünglichen (unveränderten) Gesetzesbeschluss

  • zustimmen
    oder
  • nicht zustimmen,

aber nicht mehr den Vermittlungsausschuss anrufen, da die Drei-Wochen-Frist gemäß Artikel 77 Absatz 2 GG hierfür bereits verstrichen ist, denn der ursprüngliche (unveränderte) Gesetzesbeschluss war dem Bundesrat bereits vor dem auf Anrufung durch Bundesregierung oder Bundestag durchgeführten Vermittlungsverfahren zugeleitet worden.

Zustandekommen des Gesetzes

Nach Abschluss eines Vermittlungsverfahrens kommt ein Gesetz gemäß Artikel 78 GG zustande, wenn

  • der Bundesrat dem (Zustimmungs-)Gesetz zustimmt,
  • der Bundesrat gegen das (Einspruchs-)Gesetz keinen Einspruch innerhalb der Frist des Artikels 77 Absatz 3 GG einlegt,
  • der Bundesrat den gegen das (Einspruchs-)Gesetz eingelegten Einspruch zurücknimmt (dieser Fall ist bisher nicht vorgekommen) oder
  • der Einspruch des Bundesrates vom Bundestag gemäß Artikel 77 Absatz 4 GG mit der erforderlichen Mehrheit zurückgewiesen wird.

Verweigert der Bundesrat einem Zustimmungsgesetz dagegen - auch nach gegebenenfalls bis zu drei Vermittlungsverfahren - die Zustimmung oder weist der Bundestag einen Einspruch des Bundesrates gegen ein Einspruchsgesetz nicht zurück, ist das Gesetz endgültig gescheitert.

Statistik

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